Die Königsteiner Synagoge

„Zu diesem längst ersehnten Freudentag der israelitischen Gemeinde hatten nicht nur die Häuser deren Mitglieder sondern auch das ganze Städtchen zu Ehren desselben hübschen Flaggenschmuck angelegt.“ So berichtet die Taunus Zeitung am 15. September 1906 über die Einweihungsfeier der neuen Synagoge in Königstein. Bis dahin hatte die kleine jüdische Gemeinschaft ihren Gottesdienst in Falkenstein gefeiert. Zu dessen Bezirk gehörten die jüdischen Einwohner Königsteins im 19. Jahrhundert offiziell.

Die Falkensteiner Synagoge

Das Falkensteiner Bethaus war ein kleiner, schlichter Fachwerkbau von sehr bescheidenem Ausmaß. Für die Königsteiner kam der lange Weg in den Nachbarort hinzu. Da verwundert es nicht, dass sie seit langem bestrebt waren, ein eigenes Gotteshaus vor Ort zur Verfügung zu haben.

Synagoge Falkenstein

Die Winkelsynagoge in Königstein

Zunächst schuf der Vorsteher Abraham Herz Abhilfe, indem er in Königstein in seinem eigenen Haus in der heutigen Gerichtstraße Gottesdienste abhielt. Farbreste des Wandanstrichs im Dachgeschoss des noch bestehenden kleinen Steinhauses lassen auf eine Nutzung als Betraum schließen. 1837 kaufte die Gemeinde sogar das Gebäude. Offiziell wurde es allerdings nur als Badehaus geführt und auf Anraten des damaligen Amtsarztes, Medizinalrat Dr. Küster, erworben. Grund war dessen Sorge um die hygienischen Verhältnisse in der Mikwe, die nun als moderne Anlage gestaltet werden konnte. Das nötige „lebendige Wasser“ lieferte durch eine Zuleitung der nahe Höhenbach.

Das „Juddebad“, wie das Gebäude im Volksmund hieß

Die Förderer des Synagogen-Baus

Der Wunsch nach einem offiziellen, würdigen Gotteshaus blieb jedoch bestehen und wurde nicht nur von den jüdischen Einwohnern, sondern zunehmend auch von jüdischen Kurgästen gehegt. Doch lange verfügte die Gemeinde nicht über die nötigen finanziellen Mittel. Erst üppige Spenden des Frankfurters Sigismund Kohnspeyer, dem ersten Ehrenbürger Königsteins, und der Baronin von Rothschild, die wie Kohnspeyer einen Sommersitz in Königstein hatte und dem Städtchen sehr verbunden war, ermöglichte die Errichtung.

Der Entwurf

Der Königsteiner Architekt Jakob Ohlenschläger lieferte 1903 den ersten Entwurf. Er sah einen Zentralbau auf sechseckigem Grundriss vor, der von einer Kuppel überwölbt wird. Ein  Fachwerkbau für die Lehrerwohnung flankierte den Sakralraum.

Zwei Jahre später – die Bauarbeiten waren noch nicht aufgenommen worden – konnte der arrivierte Kölner Architekt Sigmund Münchhausen (1858-1924) gewonnen werden. Kurz zuvor hatte er die Synagoge in Höchst fertiggestellt und zur selben Zeit arbeitete er am Entwurf für eine weitere in Osnabrück. Die Bauausführung in Königstein lag weiterhin bei Ohlenschläger.

Münchhausen übernahm zunächst die zuvor geplante Grundanlage eines Zentralbaus. Im Außenbau trat diese zumindest an der Straße nicht in Erscheinung. Hier war eine Art Doppelturmfassade vorgesehen, deren Türme allerdings kaum über den Dachfirst hinausreichten. Die Gliederungselemente zeigen dank Hufeisenbögen und der Ornamentik der Füllungen immer noch Anklänge an den sogenannten Maurischen Stil. Mitte des Jahrhunderts hatte dieser sich als ein bevorzugter Stil des Historismus für Synagogen etabliert. In kleineren Städten blieb man noch lange dabei. Die Formensprache wirkte sehr malerisch, aber auch der heimischen Bautradition fremd.

Entwurf der Westfassade von Ohlenschläger

Erster Entwurf Münchhausen

Der ausgeführte Bau

Münchhausen überarbeitete seine Pläne, reduzierte die maurisch inspirierten Elemente. Er rückte auch von dem Zentralbau im Inneren ab. Im Außenbau betraf die größte Veränderung die Türme. Durch ein weiteres Turmgeschoss gewannen sie an Höhe. Jetzt war das neue Gotteshaus deutlich auch aus der Ferne zu erkennen. Schon vom Bahnhof aus erblickte man den stattlichen Bau am Rande des Zentrums. Die Dachdeckung mit grünen, glasierten Ziegeln tat ein Übriges. Sie stellte nicht nur einen schönen Kontrast zum roten Backstein dar, sondern erinnerte an Kupferdächer und ließ das Gotteshaus aus der Ferne leuchten.

Begeistert wird das Gebäude noch vor Fertigstellung im Gemeindeblatt beschrieben:

„Durch das angewendete Steinmaterial und die schöne Farbenzusammenstellung, verbunden mit der Verwendung von grünen, glasierten Ziegeln, hat der ausführende Baumeister Münchhausen aus Köln meisterhaft verstanden, das Gebäude dem Gesamtbild unserer anmutig hügeligen Stadt anzupassen. So bildet es eine der schönsten Zierden unserer monumentalen Gebäude und wird stets die Aufmerksamkeit der hier weilenden Kurgäste auf sich lenken. Alles in allem ist das schöne neue Gotteshaus ein wahrer Schmuck für unsere Stadt; seine künstlerische Ausführung kommt durch Freilassen eines Vorgartens wirksam zur Geltung. Möge das schöne Gebäude zur Ehre der Gemeinde und zur Zierde der Stadt bald vollendet werden!“

Die Synagoge wurde nicht nur von den Königsteiner Juden besucht, sondern auch von den vielen jüdischen Kurgästen und Ausflüglern geschätzt und für ihren lichten Betraum gelobt.

Innenansicht mit Thoraschrein

Reichspogromnacht

10. November 1938: Auch in Königstein brannte die Synagoge. Während des Pogroms wurde die Inneneinrichtung zerschlagen und angezündet, die Fenster wurden eingeworfen und schließlich das gesamte Gebäude niedergebrannt. Die Ruine der Königsteiner Synagoge wurde im darauffolgenden Jahr gesprengt.

Ruine der Synagoge

alle Fotos: Stadtarchiv Königstein